Die wenigsten wissen, dass es den Zivildienst auch in der Landwirtschaft gibt. Dabei leisten Zivildiener wie Richard Gallauner wichtige Hilfe in schwierigen Zeiten.
Der Zivildienst ist in Österreich ein Ersatz für den Grundwehrdienst. Er kann in Krankenhäusern, Altenheimen oder etwa auch in der Behindertenbetreuung abgeleistet werden. Die wenigsten wissen jedoch, dass es auch einen Zivildienst in der Landwirtschaft gibt. Das ist vor allem dann notwendig, wenn eine Betriebsführerin oder ein Betriebsführer längerfristig ausfällt oder zum Beispiel aufgrund eines Arbeitsunfalls dauerhaft beeinträchtigt ist. Wir haben deshalb mit einem ehemaligen landwirtschaftlichen Zivildiener über seine Erlebnisse gesprochen und dabei erfahren, wie intensiv er diese Zeit erlebt hat und ab wann die Kühe auf dem Hof zu „seinen Viechern“ wurden.
„Die Erfahrung, die du in der Zeit als Zivildiener in der Landwirtschaft machst, nimmt dir niemand mehr weg!“, sagt Richard Gallauner. Der 19-Jährige aus Altpölla im niederösterreichischen Waldviertel (Bezirk Zwettl), kommt selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb mit 26 Milchkühen, Rindermast sowie Ackerbau. Er besuchte die Landwirtschaftliche Fachschule in Edelhof, wo er seinen Facharbeiterabschluss erwarb, bevor er später den Aufbaulehrgang am Francisco Josephinum in Wieselburg absolvierte. Nach seinem Schulabschluss war für ihn klar, dass er seinen Zivildienst unbedingt in der Landwirtschaft ableisten möchte und so begann im Oktober 2022 seine neunmonatige Dienstzeit.
„Das Bundesheer hat mich nie interessiert!“
„Das Bundesheer hat mich ehrlich gesagt nie interessiert. Wir wohnen zu Hause direkt neben einem Truppenübungsplatz, wo häufig Übungen stattfinden. Da bekommt man schon einen guten Einblick und da stand für mich auch schnell fest, dass das nichts für mich ist. Natürlich gibt es tolle Einsatzgebiete wie die Katastrophenhilfe, aber auch Schießübungen oder mit den Autos herumfahren“, so Richard. Für ihn stand der Entschluss für den Wehrersatzdienst in der Landwirtschaft deshalb schon lange fest. „Ich komme aus der Landwirtschaft und weiß, wenn jemand am Betrieb ausfällt, brennt der Hut. Ebenso helfe und unterstütze ich gerne andere Bäuerinnen und Bauern. Und wo kann ich das besser machen als beim Zivildienst in der Landwirtschaft?“, so der junge Waldviertler.
Nur wenige kennen den Zivildienst in der Landwirtschaft
Der Anmeldungsprozess zum Zivildienst in der Landwirtschaft verlief für Richard recht unkompliziert, da er bereits alle wichtigen Informationen von einem Nachbarn hatte, der seinen Zivildienst ebenfalls in der Landwirtschaft absolvierte. „Ich denke, dass viele junge Männer, bevor sie zur Musterung kommen, gar nicht wissen, dass sie sich zwischen Bundesheer und Zivildienst entscheiden müssen und dass es eben auch den Zivildienst in der Landwirtschaft gibt.“ Insgesamt verbrachte Richard seine neun Monate Zivildienst auf vier verschiedenen Betrieben, von denen drei Milchkuhbetriebe und ein anderer ein Schweinezuchtbetrieb waren. „Es war auf allen vier Betrieben, bei denen ich war, sehr familiär und bin überall sehr gut aufgenommen worden“, so Richard.
Einsatz am Hof nach tödlichem Arbeitsunfall
„Ich habe bei allen vier Betrieben immer am Betrieb genächtigt, sogar bei dem Betrieb, der gleich bei uns in der Gegend war. Man könnte schon immer hin und her fahren, aber man ist dann meistens frühmorgens im Stall und wenn man um 5 Uhr in der Früh beginnt, möchte man nicht auch noch mit dem Auto zum Hof fahren müssen. Außerdem wird man so auch mehr in das Familienleben mit einbezogen und bekommt mehr vom Betrieb mit“, erklärt Richard. Besonders prägend waren für den jungen Waldviertler die letzten vier Monate seiner Dienstzeit auf einem Milchviehbetrieb im Mostviertel. Nachdem der alleinstehende Betriebsleiter im Alter von 59 Jahren bei Waldarbeiten tödlich verunglückt war, trug Richard die alleinige Verantwortung für den Betrieb mit 20 Milchkühen - mit der gesamten Nachzucht (Kälber und Stiere) waren es insgesamt 50 Rinder am Betrieb. Im März 2023 kam Richard auf den Betrieb, wo für die Familie das einzige Thema war, wie es überhaupt weitergehen soll. „Das war zu Beginn natürlich sehr viel für mich, aber ich bin selbst auf einem Milchviehbetrieb aufgewachsen und deshalb habe ich mich schnell zurechtgefunden.“
Unterstützung kam von Verwandten, Nachbarn und Freunden
Richard wohnte von März bis Juni mit der 89-jährigen Mutter des Verstorbenen gemeinsam am Hof. „Die Mutter des verstorbenen Betriebsführers wusste eigentlich alles über die Kühe, konnte aber selbst keine körperlichen Arbeiten mehr verrichten.“ Der junge Zivildiener bekam jedoch auch wertvolle Unterstützung von weiteren Verwandten, Freunden und Nachbarn des Verstorbenen. „Die waren wirklich ein Wahnsinn. Wenn ich von Montag bis Freitag am Betrieb war, erhielt ich jeden Tag Unterstützung von einem Verwandten, Neffen, Nachbarn oder Freund. Die Hilfsbereitschaft war sehr groß, auch im Stall zu helfen oder bei sonstigen Tätigkeiten“, so Richard. Mitte April wurde die Milchproduktion am Hof schließlich eingestellt und alle Kühe verkauft. Richard war mit seiner Arbeit am Hof maßgeblich daran beteiligt, dass dieser Schritt trotz des schweren Schicksalsschlags möglich war.
„Das waren dann irgendwie auch meine Viecher!“
„Der prägendste Abschnitt meines Zivildiensts war für mich auf alle Fälle beim vierten Betrieb. Wenn man plötzlich dasteht und verantwortlich für 50 Viecher ist, trotz der großen Unterstützung. Ich war von Montag bis Freitag die ganze Woche vor Ort und es waren dann nach einer gewissen Zeit irgendwie auch meine Viecher und ich habe ja auch den ganzen Tag mit ihnen gearbeitet“, beschreibt Richard. Die Frage, ob er Tipps oder Empfehlungen für junge Männer habe, die noch vor der Entscheidung zwischen Bundesheer oder Zivildienst stehen, beantwortet er ganz eindeutig: „Ich muss ehrlich sagen, dass es doch sehr viel Arbeit war. Trotz der geregelten Arbeitszeit von neun Stunden, aber neun Stunden können auch sehr intensiv sein. Die Erfahrung, die er während dieser Zeit gemacht habe, könne ihm jedoch niemand mehr wegnehmen.
„Ich habe durch die vier Betriebe viel gesehen und wäre auch sonst wahrscheinlich nie in diese Gegenden gekommen und hätte die Menschen kennengelernt. Wir haben zu Hause ja auch unseren Betrieb und dadurch sind wir gewissermaßen daran gebunden. Man lernt andere Arbeitsweisen kennen und wie jeder Betrieb ganz unterschiedlich arbeitet. Man kann sich gut austauschen über Arbeitsabläufe und man bekommt Einblick in Betriebe, die man sonst nie bekommen würde.“